Es herrscht Stille in diesem Blog. Seit langer Zeit. Warum eigentlich? Diesen Blog haben Selçuk und ich vor Jahren gemeinsam geplant. Ich lebte in Frankfurt. Er lebt in Istanbul. Die Gezi Bewegung hat uns zusammen geführt. Aus unseren Blickwinkeln haben wir sie gemeinsam beobachtet. Und irgendwann entschieden wir, wir reden und denken nicht nur zusammen. Wir schreiben das auch auf.
Heute ist alles anders. Ich bin weggegangen aus Deutschland. Selçuk ist geblieben, in seinem Istanbul. Er kann ohne den Bosporus nicht leben. Sagt er. Doch auch ihm kommt immer wieder einmal ein 'vielleicht gehe ich nach ...' in den Sinn. Wir bleiben zwei Reisende in dieser Welt, selbst dann, wenn wir am selben Ort ausharren.
Das Reisen nach Istanbul hat seit längerem sein Ende für mich. Und damit auch die bisherige Konzeption des Blogs. An einem Ort zu sein - nun in Jordanien - und das für mich zuerst Fremde zu beobachten und zu beschreiben. Einfach so. Wie ich es sehe. Das ist der Perspektivwechsel für mich, von dem aus ich in Zukunft meine Texte formulieren werde.
Warum machen wir dann hier nicht einfach weiter, haben wir uns oft gefragt. Ja, warum eigentlich nicht.
"Du willst nach Duhok?!" - "Was willst Du denn im Krieg?"
„Du willst nach Duhok“, höre ich und blicke in ungläubige Gesichter. „Was willst Du denn im Krieg? Mosul ist doch nur 20 km Luftlinie entfernt! Hast Du denn gar keine Ahnung, was da grade passiert?!“ Doch, hab ich. Seit langem beobachte ich den Kampf gegen den IS, die Befreiungsaktionen und aktualisiere täglich die Frontlinien auf meiner Karte. Aber auch mit einer Karte macht es keinen Sinn, meinem Gegenüber den Unterschied zwischen 20 km Autobahn in Deutschland und 20 km Luftlinie in der irakischen Region Kurdistan klar machen zu wollen. Für sie ist dort halt Krieg. So beschreiben es die Medien täglich.

Ja es ist Krieg in der Region. Auch am Morgen des 22. April 2017. In Mosul wird bereits der Bezirk Al-Thaura wieder kontrolliert und Hai al-Tanak ist zur Hälfte vom IS befreit. Noch immer Sprengstofffallen, Heckenschützen und Artilleriefeuer überall. Menschen versuchen zu Fuss in die nördliche Region zu fliehen, dorthin, wo vor ihnen bereits Hundertausende angekommen sind. Hier, in Erbil, hier redet jedoch kaum jemand vom Krieg "Es ist sicher hier. Die Fahrt nach Duhok? Das geht ohne Probleme."

Fast eine gemütliche Aufbruchstimmung. Das Hotel komfortabel. Waffen bleiben draussen. Der IS wirkt hier eher wie ein Schreckgespenst aus vergangenen Tagen. "Es dauert nicht mehr lange, dann sind die ganz verschwunden." Die Themen sind mehr an der Zukunft ausgerichtet. Es geht um "Kurdistan after ISIS" - so eine Konferenz an der Universität Duhok, zu der die Veranstalter auch uns eingeladen haben. Eine richtige thematische Entscheidung, denn man kann nicht rückwärts in die Zukunft blicken.
Die Fahrt von Erbil nach Duhok, eigentlich nur ca. drei Stunden, dauert doppelt so lang, da wir Mosul umfahren müssen. Rechts und links der Strasse immer wieder Schafe und Ziegen. Ab und zu ein paar Häuser und einige Läden. Sonst nur die weite baumlose Landschaft. Lediglich Checkpoints erinnern an die noch immer lauernde Gefahr. "Wen hast Du da im Auto?" "Alemanya."
"Alemanya? Na dann gute Fahrt, schöne Zeit für Euch und kommt bald wieder!" Und weiter geht es. "Sie mögen die Deutschen hier. Mit Euch komme ich gut durch" grinst der Fahrer und hält an einer Betonsperre. "Durst?" Ein Junge springt herbei. Das Wasser ist noch kühl. Die Sperren heute, eine Chance für die Kids, sich bei der Hitze ein paar Dinar zu verdienen.
Wie biegen ab und fahren nach Lalish. Ehrfürchtig betrachten wir diesen heiligen Ort der Jeziden. Was uns dort gezeigt und berichtet wird, ist kaum zu verkraften. [1] Hier gibt es keine Aufbruchstimmung. Nur Trauer. Hier ist der IS noch präsent. Überall! Ein kleiner Junge wird an uns vorüber getragen. Er wirkt leblos, wie zerstört. Seine Augen sind stumpf. Er starrt vor sich hin und redet nicht. Er ist nur einer von vielen. "Viele unserer Männer konnten wir noch nicht einmal beerdigen. Wir haben längst nicht alle Massengräber gefunden. Tausende Frauen und Kinder sind noch versklavt. Viele, viele von ihnen leben wohl nicht mehr. Wir hoffen! Aber es ist eine Qual." Familien sind ausradiert, der Lebensraum ist zerstört ... diese Erinnerungen sind grausam. Und den Kampf um ihre Dörfer, den führen gegenwärtig andere. "Ja, vielleicht sind wir hier sicher, aber diejenigen, die dort zurückgeblieben sind, die leben noch heute in Angst und Schrecken." Die Tragödie der Jeziden ist nicht zu vergessen. "Es wird Generationen dauern, bis ... ." Ja, bis ...
Wir verlassen diese trauernde Stille und machen uns auf den Weg nach Duhok. "Kurdistan after ISIS" - Wird es dort noch um mehr gehen, als um "... the right of Kurdistan region to self-determination?" [2]
Zwei Tage später treffen wir unseren Kollegen, der mit Ärzten aus Deutschland in der Region unterwegs war. Verstört zeigt er uns zwei Fotos. "Hier" und er deutet auf das eine "hier haben wir gestern Nacht geschlafen. Heute ist dort alles zerstört. Wären wir eine Nacht länger geblieben, vielleicht wären wir jetzt tot." Was war dort geschehen? Es war nicht der IS, der noch einmal zurückgekommen und dabei nicht nur getötet und einen Sendemast zerstört hat, sondern auch die Medizinstation teilweise verwüstet hat. Das waren türkische Kampf-Flugzeuge, die in den Sinjar Bergen sehr gezielt 'PKK-Stellungen' bombardiert hatten. "Sicher sind dort oben kurdische Kämpfer," berichtet unser Kollege. "Klar auch von der PKK, denn wie ist Sicherheit dort sonst möglich? Wer hat denn die Gebiete dort befreit? Wie sollen denn weitere Gebiete befreit werden, ohne deren Präsenz?" Und es verwundert nicht, wenn während der Konferenz auch immer wieder zu hören ist: "Den IS werden wir besiegen. Das ist sicher. Viele von uns stellen sich aber die Frage, ob der eigentliche Feind, vor dem wir auf der Hut sein müssen, nicht mittlerweile wieder die Türkei ist".
Es ist nicht leicht, an einer Zukunft zu bauen, von der man nicht weiss, ob sie einem nicht gleich wieder zerstört wird.
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1) folgt.
2) Kurdistan after ISIS: Questions of Identity and Boundary, Conference held by Iraqi Kurdistan Regioinal Covermorate, Ministery of Higher Education and Scientific Research, University of Duhok & Beşikçi Center for Humanity Studies from 22.-23 April 2017 - folgt.



"Alemanya? Na dann gute Fahrt, schöne Zeit für Euch und kommt bald wieder!" Und weiter geht es. "Sie mögen die Deutschen hier. Mit Euch komme ich gut durch" grinst der Fahrer und hält an einer Betonsperre. "Durst?" Ein Junge springt herbei. Das Wasser ist noch kühl. Die Sperren heute, eine Chance für die Kids, sich bei der Hitze ein paar Dinar zu verdienen.

Wir verlassen diese trauernde Stille und machen uns auf den Weg nach Duhok. "Kurdistan after ISIS" - Wird es dort noch um mehr gehen, als um "... the right of Kurdistan region to self-determination?" [2]

Es ist nicht leicht, an einer Zukunft zu bauen, von der man nicht weiss, ob sie einem nicht gleich wieder zerstört wird.
1) folgt.
2) Kurdistan after ISIS: Questions of Identity and Boundary, Conference held by Iraqi Kurdistan Regioinal Covermorate, Ministery of Higher Education and Scientific Research, University of Duhok & Beşikçi Center for Humanity Studies from 22.-23 April 2017 - folgt.
"We'll not give up! Never! We will free them, all of them, our enslaved women and children."


We ask why the first two attempts were unsuccessful. Was the situation too dangerous? These are always dangerous, these liberation missions; indeed, they are life-threatening. However, the last attempt was broken off for another reason. One of the women had been severely injured by the bombing from airplanes. Therefore, everything was put off and the woman was taken care of first. They all wanted to flee together. No one should be left injured and alone. This is why they waited.
Again, we are impressed by the close connections and the degree of family cohesion between people here. Over the last few days, we had heard many stories about support for one another. A mother who remained behind, so that her daughter could be saved; boys and young men who fearlessly try to free their mothers, undaunted by the prospect of death. And now, this group who were abducted have returned, all 36 together. This is the most important thing for Hussein Qaidi. He stated: "We have saved over 3000 people to date. Another 2400 women and children remain captured. We want to save all of them! We won’t give up!" Again and again, the concrete details surprise me, especially in such a tumultuous war-time situation. How does the flow of information work? How is it possible to know exactly how many women and children are involved and, above all, that they are still alive?
"Of course there are contacts within IS. We know that more than half of the enslaved women and children are still alive. But we won’t know exactly before the area is liberated from IS. And when we have successfully located all of the mass graves. It is a sad truth that women and children are among those buried in these graves, even when most of them are our men. The Kurdish regional government helps us to identify the bodies with specific devices and provides people who are specialized in DNA investigations. We have found 30 mass graves so far. But it won’t be until all the cities are liberated, that we will know with certainty. "
He continues, "We know that our children, aged between 5 and 14 years old, have been brought to three different training camps, where their names and their religion have been changed. The majority of them no longer know who they really are and where they come from. Every morning and evening they are religiously indoctrinated. After the religious instruction, the children receive training with weapons and are prepared to carry out suicide bombings. They learn all the perverse killing techniques and forms of cruelty, that the IS itself perpetrates. Thus our children are raised to be enemies of their own religion and to a danger to their own families."
Intensive brainwashing has a quick effect on the children so that they come to see the 'Islamic' world of the IS as their own, and the life of the 'caliphate' as the only true one. Conversations with liberated children show their immense aggression, in combination with confusion and helplessness towards a world that has become alien to them. It will take a lot of time and patience until these young people find their feet in a world that they were brutally snatched from. Whether or not they will become a threat to society and their own families in the future will depend, among other things, on how they will be treated after their return. On what help is offered to them, so they can free themselves from this manipulated system of thinking. However, professional support is rarely available. There is an urgent need for cooperation with local relief organizations in Duhok; however, these are all already overburdened by the mass number of refugees from the regions affected by the war.
The purpose of Hussein Qaidi’s work is to plan and carry out the liberation of the enslaved individuals. Officially, his role in the relief work for these families ends after this point. However, everyone knows that the work is not over when families are brought back to Dohuk from the darkness of IS; this means the rescue operation is far from over. "We have closed this hotel and reserved it for liberated people. They can get everything for their daily needs. It is important that they receive new clothes immediately, as a symbol of shirking off the past. Medical and psychological care is immediately provided; I manage this process, visit them twice a day, and prepare everything for their future. We can only provide this help for a short time; we have to hand it over to relief organizations to support them afterwards."
Regional or national aid is not available to prepare and implement liberation missions. All further liberation activities depend on the will, the courage and the commitment of individuals. If, in some cases, paying a ransom is possible or necessary, the families are forced to try to raise huge sums to free their relatives. Many of them are prevented by this from succeeding. Even the government cannot and should not help, as by paying the ransoms, it would not only finance the liberations but IS itself. However, if a liberation has been successful, there is state aid available which can be applied for. "We ask you," says Hussein Qaidi as he concludes the conversation, "to try to help us carry out our missions; we need support from all over the world. Imagine we had one of the liberated women who had been sold thirty times before, I do not need to explain to you any further, how significant that would be. For those people, everything is far worse than for those who have already found a place in the camps. We will not be able to do it alone.”
Hussein Qaidi is looking for the families with us. Khalil speaks with them to establish the most urgent needs and arranges to meet the most necessary of these. We stand silent. It is impossible to comfort here. The suffering from the experiences of the liberated women and children are far too great. Hardly an eye remains dry in this situation. And there she stood, M., who was sitting on the floor in the room, surrounded by her sleeping children. She gets up, walks up to me, and hugs me. I will never forget this moment. Those who need consoling are instead comforting us, as we stand helpless before them.
"The freedom that I mean ...this freedom is far from being a reality for the liberated. They are still locked in the cage of what they experienced. Whether it is possible to leave it again depends also depends on our help, that we must provide to them. This includes far more than covering the needs of daily life.”
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Khalil Qasim Bozani and Verena Rösner took part in this conversation.
An Yazidi advocate helped quietly usher 1.100 ISIS survivors to Germany in an unprecedented asylum programm.
An Yazidi advocate helped quietly usher 1.100 ISIS survivors to Germany in an unprecedented asylum programm.
"Wir geben nicht auf! Niemals! Wir befreien sie, unsere vom IS versklavten Frauen und Kinder!"


Wir fragen nach dem Grund der ersten beide Abbrüche. War die Situation zu gefährlich? Es sei immer gefährlich, lebensgefährlich, eine solche Befreiungsaktion. Der letzte Abbruch hatte jedoch einen anderen Grund. Eine der Frauen war durch die Bombardierung der Flugzeuge schwer verletzt worden. Daher wurde alles abgeblasen und die Frau erst einmal versorgt. Sie wollten alle zusammen fliehen. Niemanden sollte verletzt allein zurückgelassen werden. Deshalb haben sie gewartet.
Wieder sind wir beeindruckt von den engen Bindungen und dem Zusammenhalt in der Familien. In den vergangenen Tagen haben wir mehrmals gehört, wie sie sich unterstützen. Eine Mutter, die zurückbleibt, damit auch ihre Tochter gerettet wird. Jungen und junge Männer, die versuchen, ihre Mütter zu befreien, todesmutig und ohne Angst. Und nun sind auch diese Verschleppten zurück, alle 36 zusammen. Das ist für Hussein Qaidi zunächst das Wichtigste. Und er fährt fort: "Bis heute haben wir über 3001 Personen gerettet. Weitere 2400 Frauen und Kindern sind noch in Gefangenschaft. Wir wollen sie alle retten! Wir geben nicht auf!" Immer wieder erstaunen mich die konkreten Angaben, gerade in einer so wirren Kriegssituation. Wie funktioniert der Informationsfluss? Woher weiss man so genau, um wieviele Frauen und Kinder es handelt und vor allem, dass diese noch leben?
"Es gibt natürlich auch Kontakte in den IS hinein. Wir wissen von mehr als der Hälfte der versklavten Frauen und Kinder, dass sie noch am Leben sind. Endgültig können wir das natürlich erst sagen, wenn das Gebiet wirklich vom IS befreit ist. Und wenn es uns gelungen ist, alle Massengräber ausfindig zu machen. Dass es Frauen und Kinder sind, ist eine der traurigen Wahrheiten, da in diesen Massengräbern überwiegend unsere Männer verscharrt sind. Die kurdische Regionalregierung hilft uns zu ihrer Identifizierung mit speziellen Geräten und stellt Personen zur Verfügung, die auf DNA-Untersuchungen spezialisiert sind. Bis zum heutigen Tag haben wir 30 Massengräber gefunden. Aber erst wenn alle Städte befreit sind, werden wir tatsächlich Gewissheit haben."
Er fährt fort: "Wir wissen, dass unsere Kinder, die zwischen 5 und 14 Jahre alt sind, in drei verschiedene Trainingslager gebracht wurden. Dort wurden ihre Namen und ihre Religion geändert. Die Mehrheit von ihnen weiss schon heute nicht mehr, wer sie wirklich sind, und wo sie herkommen. Jeden Morgen und Abend werden sie religiös indoktriniert. Nach der religiösen Unterweisung werden die Kinder an den Waffen trainiert und auf Selbstmordattentate vorbereitet. Und sie erlernen alle perversen Tötungsarten und Grausamkeiten, wie der IS sie selbst verübt. So werden unsere Kinder zu Feinden ihrer Religion erzogen und zur Gefahr für ihre eigenen Familien."
Die intensive Gehirnwäsche wirkt schnell bei den Kindern, so dass sie die ‘islamische‘ Welt des IS bald als ihre eigene und das Leben im ‘Kalifat‘ als das einzig wahre ansehen. Gespräche mit befreiten Kindern zeigen, welch geballte Aggression in ihnen steckt, gepaart mit Verwirrung und Hilflosigkeit gegenüber einer Welt, die ihnen fremd geworden ist. Es wird Zeit und viel Geduld brauchen, bis sich diese jungen Menschen wieder in der Welt zurecht finden, der sie so brutal entrissen wurden. Ob es gelingt, dass sie zukünftig zu keiner Gefahr für die Gesellschaft und ihre eigenen Familien werden, hängt unter anderem davon ab, wie ihnen nach ihrer Rückkehr begegnet wird. Daran, welche Hilfe ihnen angeboten wird, damit sie sich aus dem manipulierten Denksystem wieder befreien können. Professionelle Unterstützung gibt es jedoch bisher kaum. Man ist in Duhok dringend auf Kooperation mit den ortsansässigen Hilfsorganisationen angewiesen, die aber angesichts der Massenfluchten aus den Kriegsregionen alle überfordert sind.
Die eigentliche Aufgabe von Hussein Qaidi ist die Planung und Durchführung von Befreiungen der versklavten Personen. Danach endet dann offiziell seine Hilfsaktion für die Familien. Doch alle wissen, dass es nicht damit getan ist, die Familien aus dem Dunkel des IS nach Duhok zurückzuholen. Und somit ist auch diese Rettungsaktion für ihn noch lange nicht beendet. "Wir haben dieses Hotel geschlossen und für die Befreiten reserviert. Sie erhalten hier erst einmal alles für ihren täglichen Bedarf. Wichtig ist, dass sie sofort neue Kleidung erhalten, als ein Symbol zum Abstreifen der Vergangenheit. Sie werden umgehend medizinisch und psychologisch betreut, denn es geht ihnen allen sehr schlecht. Ich selbst kontrolliere diesen Prozess, besuche sie zweimal täglich und bereite alles für ihre Zukunft vor. Wir können diese Hilfe aber nur für kurze Zeit leisten, dann müssen wir das an Hilfsorganisationen abgeben, damit diese weiter unterstützen."
Regionale oder nationalstaatliche Hilfen stehen nicht zur Verfügung, um die Befreiungsaktionen vorzubereiten und durchzuführen. Alle weiteren Befreiungsaktionen sind vom Willen, vom Mut und dem individuellen Einsatz Einzelner abhängig. Ist in manchen Fällen ein Freikauf möglich bzw. notwendig, müssen die Familien riesige Summen auftreiben, um ihre Verwandten auslösen zu können. Eine Vielzahl von ihnen scheitert daran. Auch die Regierung kann und darf nicht helfen, würde sie bei der Beteiligung mit einem 'Freikauf' doch den IS finanzieren. Ist eine Befreiung jedoch geglückt, gibt es staatliche Hilfen, die beantragt werden können. "Wir bitten Euch", beendet Hussein Qaidi das Gespräch "bemüht Euch um unsere Aktionen. Wir brauchen die Unterstützung von überall auf der Welt. Stellt Euch vor, wir hatten eine der befreiten Frauen, die war zuvor dreissigmal weiterverkauft worden! Was das bedeutet, brauch ich Euch ja nicht näher zu erläutern. Für diese Menschen hier ist doch alles noch so viel schlimmer, als für diejenigen, die bereits einen Platz in den Camps gefunden haben. Allein schaffen wird das alles nicht mehr."
Hussein Qaidi sucht mit uns die Familien auf. Khalil klärt mit ihnen den ersten Bedarf und organisiert das Nötigste. Wir stehen stumm daneben. Hier 'Trost spenden' zu wollen, ist unmöglich. Zu groß sind die leidvollen Erfahrungen der befreiten Frauen und Kinder. Kaum ein Auge bleibt trocken in dieser Situation. Und da steht sie auf, M., die im Zimmer auf dem Boden saß, um sie herum auf den Betten ihre schlafenden Kinder. Sie steht auf, geht auf mich zu und umarmt mich. Diesen Augenblick werde ich niemals vergessen! Die zu Tröstenden trösten uns, die wir hilflos vor ihnen stehen.
"Die Freiheit die ich meine ..." diese Freiheit ist für die Befreiten noch lange keine Realität. Zu eng sind sie noch in den Käfig des Erlebten gesperrt. Ob es gelingt, diesen wieder zu verlassen, hängt auch von unserer Hilfe ab, die wir ihnen zukommen lassen. Dazu gehört weit mehr, als den Bedarf für das tägliche Leben abzudecken.
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An dem Gespräch waren Khalil Qasim Bozani und Verena Rösner beteiligt.
An Yazidi advocate helped quietly usher 1.100 ISIS survivors to Germany in an unprecedented asylum programm.
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